Skandalöses Urteil gegen Landlose von Curuguaty/Paraguay

In einem äusserst fragwürdigen Prozess wurden 11 Landlose in Paraguay – 8 Männer und 3 Frauen – zu langjährigen Haftstrafen zwischen 4 und 30 Jahren verurteilt. Ohne dass stichhaltige Beweise gegen sie vorlagen, wurden sie für den Tod von sechs Polizisten verantwortlich gemacht. Ausser diesen waren beim Massaker von Curuguaty im Jahr 2012 auch elf Kleinbauern erschossen worden. Über deren Ermordung gibt es bis heute keine Untersuchung. Der SOLIFONDS, der die Organisation der Familienangehörigen von Curuguaty in den letzten vier Jahren begleitet und unterstützt hat, kritisiert das Urteil und fordert dessen unverzügliche Aufhebung.

Vor vier Jahren, am 15. Juni 2012, machten sich 324 Polizisten verschiedener Einheiten in Kampfmontur und mit Helikopterunterstützung daran, den Weiler „Marina Kue“, ein von 50 landlosen Männern, Frauen und Kindern besetztes Stück Staatsland zu räumen. Obwohl das besetzte Land Staatseigentum ist, reklamierte der Grossgrundbesitzer und dem ehemaligen Militärdiktator Streossner nahestehende Politiker Blas Riquelme das Land für sich und erreichte, dass die Polizeikräfte für seine Interessen mobilisiert wurden. Gleich zu Beginn der Räumung kam es zu einer Schiesserei, die 11 Landlosen und 6 Polizisten das Leben kostete. In der Folge gab es keine offizielle Untersuchung, und obwohl Videoaufnahmen und die Resultate einer unabhängigen Untersuchungskommission klare Beweise vorlegten, dass die Schüsse nicht von den Landlosen kamen, wurde gegen 11 von ihnen Anklage wegen Ermordung der 6 Polizisten erhoben. Die Erschiessung von 11 Landlosen – 7 von ihnen wurden hingerichtet, nachdem sie sich ergeben hatten – wurde hingegen nie gerichtlich verfolgt.

Am 11. Juli nun hat ein Gericht in Asunción die elf Angeklagten für schuldig gesprochen und zu Freiheitsstrafen zwischen 4 und 30 Jahren verurteilt. «In Verletzung seiner Pflichten hat das Gericht die grundlegendsten Rechte der Angeklagten missachtet, indem es sie verurteilt hat, ohne dass eine begründete Anklage vorlag. Die Angeklagten hätten bei einer so fragwürdigen Sachlage freigesprochen werden müssen», hält die paraguayische Menschenrechtskoordination CODEHUPY fest. Die ehemalige Sonderberichterstatterin der Interamerikanischen Menschenrechtskommission Rosa María Ortiz stellt fest, dass die Justiz die Mächtigen schütze und die arme Bevölkerung nicht wie Menschen, sondern wie Kakerlaken behandle.

Das Urteil zeigt einmal mehr die Instrumentalisierung der Justiz in Paraguay für politische Zwecke. Mit dem Urteil soll offenbar ein Schlussstrich unter den kalten Putsch im Nachgang des Massakers von Curuguaty gezogen werden. Nur wenige Tag nach dem Massaker im Juni 2012 setzte das Parlament den gewählten Präsidenten Fernando Lugo im Eilverfahren ab, um der Agraroligarchie erneut die Übernahme der Macht zu ermöglichen.

Das unhaltbare Urteil hat heftige Reaktionen ausgelöst. Familienangehörige haben den Gerichtssaal besetzt und auf den Strassen kam es zu grossen Demonstrationen. Zahlreiche Organisationen verlangen eine umgehende Revision und die Aufhebung des Urteils. Der SOLIFONDS schliesst sich dieser Forderung an und solidarisiert sich mit den verurteilten landlosen Frauen und Männern und ihren Angehörigen.